SCHNEEWITTCHEN
Wesentlich älter als das Schneewittchen im Märchen der Brüder Grimm von 1812 ist mein Schneewittchen und es hat mit diesem bis auf eine Tatsache auch nichts zu tun. Die Verbindung zum Märchen besteht einzig im gläsernen Schrein, in dem die Königstochter aufgebahrt war, ebenso wie mein Schneewittchen.
Auch eine Prinzessin ist Radetzkys Schneewittchen nicht, sondern ein Buch mit der einzigartigen Sammlung von 130 Original Zeichnungen, Collagen und Texten, eingebunden in den ursprünglichen Buchdeckel eines Antiphonars aus dem Italien des 15. Jhdts.
In der Zeit meines Studiums an der Academia di Belle Arti in Florenz, von 1958 – 1960, hatte ich Gelegenheit, meinen Lebensunterhalt durch Mitarbeit in einer dortigen Antiquitäten- und Kunstgalerie aufzubessern. Das Geschäftsmodell der Galerie bestand hauptsächlich im Ankauf sakraler und liturgischer Gegenstände aus Klöstern Süditaliens, die im Zuge einer Säkularisation aufgegeben, oder mangels priesterlichem Nachwuchs geschlossen wurden. Unter diesen Gegenständen befanden sich u.a. komplette Antiphonarien, handgeschriebene Pergamentblätter, mit Quadratnoten auf 4 Notenlinien und großen, kunstvoll gestalteten und rankenverzierten Initialen. Leider wurden diese Artefakte anschließend herausgetrennt und einzeln an Sammler gewinnbringend verkauft. Zurück blieben die leeren Buchdeckel, von denen ich diesen erwerben konnte.
Ein Buchbinder fügte für mich daraufhin 268 Seiten handgeschöpftes Büttenpapier in Fadenbindung mit Kapitalen fachgerecht ein und ich füllte die Blätter von 1976 bis 2015, einseitig mit den vorerwähnten Zeichnungen. Die Idee war, von meinen, zur jeweiligen Zeit entstandenen Bilderzyklen, tagebuchgleich eines oder mehrere Motive festzuhalten sowie Seiten mit lyrischen und epischen Texten zu füllen.
Der von Bernd Plickert hierzu geschaffene Glas-Schrein gab letztendlich den Ausschlag für den Namen des Projekts.
Cäsar W. Radetzky